Wir retten Stühle. Wie machen wir das? Ganz einfach, wir arbeiten die Stühle auf. Die Aufarbeitung der Holzstühle beinhaltet eine teilweise oder komplette Demontage, Entfernung alter Lasur- Lack- oder Farbreste, Neuverleimung, Neulackierung oder Ölung und Aufbau einer neuen Polsterung inklusive Einlegerahmen, Federkerne oder Gurte.
Nachdem wir Nachhaltigkeit und verantwortungsvollen Umgang mit unseren Ressourcen in einigen Blogbeiträgen ausgiebig thematisiert haben, möchten wir mit dieser Blogreihe das eigentliche Handwerk in den Fokus stellen. Statt grüner Theorie zum Nachdenken gibt es Schleifspuren, Lackgeschichten und Polstergurte zum Nachlesen und Nachmachen. Der folgende Bericht stellt detailliert die Instandsetzung, Aufarbeitung und Veredelung eines alten Holzstuhles dar.
1. Ausgangsbasis
Der Stuhl war, genau wie seine anderen drei Kollegen, schätzungsweise 30 bis 40 Jahre alt. Fast alle Beine wackelten, viele Verbindungen waren lose. Der Rahmen war an eigentlich fixen Stellen unerfreulich flexibel. Das Polster samt Kunstlederbezug wies eine bemerkenswerte Abnutzung auf, durchgesessen wäre fast noch geschmeichelt gewesen. Die Polstergurte hatten ihre Haltbarkeit ebenfalls stark eingebüßt und trugen das Polster nur noch mit spröder Motivation. Die dunkel lasierte Holzoberfläche bewies einen aufregenden Detailreichtum an Schrammen, Dellen und kleineren Furchen, die vom anstrengenden Leben unseres Stuhls zeugten. Wir hatten viel zu tun.
2. Demontage
Der Stuhl wurde fachgerecht demontiert. Hierzu lösten wir zuerst den Einlegerahmen mit der Polsterung durch Entfernung der Verschraubung an der Unterseite des Stuhls. Mit einem Gummihammer, Schlagholz und vorsichtigen Schlägen konnten wir die losen Stuhlteile voneinander trennen. Nur keine rohe Gewalt. Hierbei achteten wir darauf, die vorhandenen Dübel und Zapfen nicht zu beschädigen, was jedoch bei einigen Dübel aufgrund des desolaten Zustandes nicht gelang. Erfreulicherweise fanden wir einige stabile Verbindungen und prüften diese erfolgreich auf ausreichende Stabilität.
Anmerkung:
Sollten bei der Demontage einzelne Teile aus dem Holz herausbrechen, so ist dies kein Beinbruch. Wichtig ist, diese Teile zu säubern und bei der Neuverleimung wieder an die alten Stellen einzusetzen. Mit ausreichendem Anpressdruck und Weissleim sind die entsprechenden Stellen wieder belastbar. In jedem Fall sollte Holz einer Holzspachtelmasse vorgezogen werden. Holzspachtelmasse dient nur zum Ausbessern kleinerer Schäden an der Holzoberfläche.
3. Entfernung Lasur-/ und Leimreste
Nach der erfolgreichen Demontage des Stuhl entfernen wir die vorhandene Lasur und die alten Leimreste.
Im ersten Schleifgang bearbeiteten wir die Lasur mit einem Deltaschleifer mit 80er Körnung Schleifaufsatz und erzielten schnell und zügig ein gutes Ergebnis. Durch die Demontage wurde uns die Arbeit erleichtert, da wir so auch unzugängliche Stellen erreichen konnten. Die Holzoberfläche war nach der ersten Schleifrunde sauber jedoch noch zu uneben. Im zweiten Schleifgang entfernten wir die letzten Reste der alten Lasur. Ebenfalls kam hier der Deltaschleifer zum Einsatz jedoch mit einem 120er Schleifaufsatz. Als letzter Schleifgang holten wir mit 240er Schleifpapier, Schleifklotz und Ausdauer alles aus der Holzfläche raus und erreichten ein absolut glattes Oberflächenerlebnis. Einfach Klasse. Safety first benutzten wir selbstverständlich Schutzbrillen, Staubschutzmasken und Schutzhandschuhe.
Nun widmeten wir uns dem Entfernen der alten Leimreste, die sich noch in und an den gelösten Verbindungen befanden. Die Zapfen bearbeiteten wir vorsichtig mit dem Stechbeitel, Raspel und Schleifpapier. In den Zapfenlöchern stemmten wir mit verschieden breiten Stechbeiteln die Leimreste aus. An Dübeln konnten wir mit Schleifpapier leimlose Ergebnisse erzielen.
4. Neue Dübel
Leider sind bei der Demontage trotz aller Vorsicht einige Dübel (3 Stück) gebrochen. Die betroffenen Stellen schliffen wir zuerst plan (eben) ab. Die alten Dübel bohrten wir vorsichtig mit einem 5er Holzbohrer auf und entfernen die Reste aus dem Dübelloch. Anschliessend erweiterten wir das vorhandene Dübelloch mit einem 8er Holzbohrer, um so die alte Leimreste zu entfernen und einen frischen Dübel einbringen zu können. Wir verwendeten einen 8 mm starken Riffeldübel (Quelldübel). Alter dünner Dübel raus, neuer dicker Dübel rein.
Wie es weitergeht, könnt Ihr im nächsten Teil erfahren. In den nächsten Schritten geht es um Neuverleimung, kreative Farbgestaltung und vielschichtige Altpolsterung. Seit gespannt.
Stühle aus Holz sind unsere große Leidenschaft. Jeder Stuhl hat seine eigene Geschichte. Sie ist es wert, erhalten und weitererzählt zu werden. Wir glauben an den Werterhalt und die nachhaltige Nutzung von Bestehendem. Wir möchten Menschen das Angebot machen, mit uns nach einer wunderbaren Alternative zu blindem Wegwerfkonsum zu suchen und diese zu verwirklichen.
Vintage – vom Stuhl aufwärts
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