Eine hohe Rückenlehne, kunstvoll verzierte Beine und filigrane Streben. Die geraden Linien und hoch aufgestellte Form strahlen eine ruhige und kunstvolle Erhabenheit aus. Ein Stuhl, der sich nicht zu verstecken braucht.
Ausgangsbasis
Der Zustand des Stuhls war aufgrund einer Bruchstelle an einer konstruktiv relevanten Belastungsstelle äußerst besorgniserregend. Insgesamt ließ die Stabilität des Stuhls an fast allen Holzverbindungen zu wünschen übrig. Die Holzoberfläche zeigte eine Vielzahl von Schrammen und kleine Dellen.
Das Polster samt Einlegerahmen hatte die Zeit weniger gut überstanden. Die einstige Pracht des Bezugsstoffs war verflogen. Die alte und spröde Gurtpolsterung hatten längst die notwendige Stabilität eingebüßt. Der Einlegerahmen zeigte sich ebenfalls bewegungsfreundlich und unerfreulich flexibel. Hier waren alle Zapfenverbindungen lose. Wir hatten viel zu tun.
Stuhldesign
Als Aufwertung der natürlichen Holzmaserung haben wir als dominierendes Designelement geöltes Holz ohne farbliche Akzente vorgesehen. Die neue Polsterung mit einem naturfarbenen und unempfindlichen Polsterbezug bilden einen schönen Kontrast zu dem dunklen, geöltem Holz. Von einer Sitzruine zur vollkommenen Sitzkunst.
Aufarbeitung Stuhl
Demontage, alter Holzleim und Neuverleimung
Im ersten Schritt demontierten wir vorsichtig den Stuhl in fast alle Einzelteile. Die Zapfen und entsprechenden Zapfenlöcher befreiten wir mittels Raspeln, Stechbeitel und Schleifpapier von dem alten teilweise spröden Holzleim. An der kritischen Bruchstelle entfernten wir obendrein ein Teil eines Holzstückes, das direkt aus dem Vollholz entnommen und als Provisorium dort verleimt war. Die Ränder säuberten wir ebenfalls sorgfältig. Aus dem ursprünglichen Stuhl haben wir ein umfangreiches und anspruchsvolles Holzpuzzle herausgearbeitet, das es, mit Anspruch auf höchste Stabilität, wieder zusammenzusetzen galt.
Für die Neuverleimung legten wir alle Teile des Stuhls zurecht und setzten diesen probeweise zusammen. Die Verleimung erfolgte mit Weißleim. Diesen trugen wir auf alle Zapfenverbindungen und Zapfenlöcher auf und setzten den Stuhl, wie bei der Probe, sorgfältig zusammen. Für eine optimale Vereinigung von Zapfen und Zapfenlöcher verwendeten wir ein Schlagholz und Gummihammer. Die fachgerechten Anwendungen von Klemmzwingen und Spanngurten sorgten für den notwendigen Anpressdruck. Zusätzlich richteten wir die Stuhlbeine sorgfältig aus und beschwerten den Stuhl mit einem Gewicht. Das Ergebnis war ein vollständig zusammengesetzter, belastbarer und kippelfreier Stuhl.
Farbreste und Vorbereitung
Die alte Oberflächenbeschichtung entfernten wir mit Deltaschleifer und Schleifpapier. Für die Freilegung des wunderschön gemaserten Holzes waren mehrere Schleifdurchgänge erforderlich. Alle Schrammen, Kratzer und kleine Dellen konnten wir entfernen und einebnen. Durch den Einsatz von Schleifpapier in immer feineren Körnungen erreichten wir bei dem Stuhl eine absolut glatte Holzoberfläche.
Geöltes Holz mit natürlichem Leinöl
Für die Veredelung verwendeten wir natürliches Leinöl. Mit einem Baumwollstoff trugen wir dieses wunderbare Öl in insgesamt 5 Durchgängen auf. Nach jeder Ölung waren 24 Stunden Trocknungszeit erforderlich, um dem Holz die optimale Aufnahme des natürlichen Leinöls zu ermöglichen. Für eine farbliche Anpassung haben wir einzelne Bereiche des Stuhls zusätzlich mit Leinöl behandelt. Im Laufe der Behandlung und Trocknungszeit dunkelte das behandelte Holz bereits nach, ein Prozess, der sich, je nach Holzart und Anzahl der Ölbehandlungen, auch nach Wochen zeigen kann.
Aufarbeitung Polster
Demontage und Instandsetzung Einlegerahmen
Den Einlegerahmen entkernten wir bis auf das blanke Holz. Alle Elemente, wie Polsterbezug, Füllung, Nägel und Polstergurte konnten wir restlos entfernen und den Einlegerahmen demontieren. Von den Zapfen und Zapfenlöcher entfernten wir vorsichtig den alten Holzleim und verleimten den Rahmen neu. Leimzwingen sorgten für den notwendigen Anpressdruck. Nach der Trocknungszeit schliffen wir die Stirnseiten und Kanten an. Der Polsteraufbau war vorbereitet.
Polsteraufbau und Polsterbezug
Als Grundpolsterung vernagelten wir einen neuen Federkorb auf den Einlegerahmen und deckten diesen mit einer Lage Jutegurte ab. Im nächsten Schritt schnitten wir eine Lage Juteleinen zu und tackerten diese auf den Einlegerahmen. Als zweite Polsterschicht schnitten wir Polsterschaum zu, positionierten den Einlegerahmen mit der Juteseite darauf und verklebten den Schaum mittels Sprühkleber. Die überstehenden Ränder des Polsterschaums schnitten wir mit einem sehr scharfen Cuttermesser schräg zu. Hierbei ließen wir einen fingerbreiten Rand zum Einlegerahmen. Als vorletzte Polsterlage brachten wir Polsterwatte in Form und verklebten diese ebenfalls mit Sprühkleber sorgfältig auf dem Polsterschaum. Bei dem anschließenden Zuschnitt ließen wir zum Einlegerahmen einen etwa vier Zentimeter breiten Rand.
Als Polsterbezug verwendeten wir Struktur Glanzeffekt Polsterstoff Life Natur mit Fleckenschutz, ein besonders robuster und gut zu verarbeitender Stoff aus Polyester nach Ökotex-Standard 100. Der Stoff wurde nach Auflage des Polsters zugeschnitten. Die Befestigung des Stoffes erfolgte mittels Handtacker. Die Enden des Bezuges wurden umgeschlagen und an den gegenüber liegenden Seiten des Einlegerahmens zuerst oben und unten, dann links und rechts, jeweils mittig und auf Spannung befestigt. Zu den Enden hin wurde der Bezug gerade und faltenlos gespannt und fixiert. Für die Ecken wurde zunächst eine Seite des Bezuges bis an den Rand befestigt, das Ende der anderen Seite in eine saubere Falte gelegt und dann ebenfalls mit dem Tacker fixiert. Der überstehende Bezug wurde mit einem Cuttermesser abgeschnitten. Eine rückseitige Abdeckung aus hellem Baumwollstoff vollendete das Polsterwerk.
Fazit
Stuhldesign
Durch das Entfernen der alten Lasur und den Einsatz von natürlichem Leinöl konnten wir die natürliche Schönheit der Holzmaserung wieder aufleben lassen. Der Einsatz einer hochwertigen Federpolsterung anstelle einer einfachen Gurtpolsterung bereicherten den Stuhl um einen deutlich gesteigerten und dauerhaften Sitzkomfort. Der naturfarbene und gegen Schmutz und Flecken unempfindliche Bezugsstoff, bildet einen schönen Kontrast zu dem dunklen und geölten Holz.
Stuhlform
Eine hohe Rückenlehne, kunstvoll verzierte Beine und filigrane Streben. Die geraden Linien und hoch aufgestellte Form strahlen eine ruhige und kunstvolle Erhabenheit aus. Ein Stuhl, der sich nicht zu verstecken braucht.
Stühle aus Holz sind unsere große Leidenschaft. Jeder Stuhl hat seine eigene Geschichte. Sie ist es wert, erhalten und weitererzählt zu werden. Wir glauben an den Werterhalt und die nachhaltige Nutzung von Bestehendem. Wir möchten Menschen das Angebot machen, mit uns nach einer wunderbaren Alternative zu blindem Wegwerfkonsum zu suchen und diese zu verwirklichen.
Vintage – vom Stuhl aufwärts
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