Wohnst Du noch, oder zerstörst Du schon?
So fängt der erste Satz eines Kapitels von Harald Welzers Buch „Selbst Denken“ an. Und die nachfolgende Anekdote beschreibt, eine Vorstellung, die heute als so ziemlich als ad absurdum abgetan werden kann.
Ein älteres Ehepaar geht zu IKEA, bleibt lange vor dem Schrank „Bjursta“ stehen, öffnet und schließt die Türen, zieht und schiebt die Schubladen, prüft das Holz, streicht über die Oberfläche, geht um das Stück herum, überlegt, sinniert. Schließlich sagt die Frau zu ihrem Mann: „Den nehmen wir. Der ist schön und solide, von dem wird unser Enkelchen noch etwas haben!“
Auf Vorträgen von Harald Welzer wird an dieser Stelle gewöhnlich lauthals gelacht. Er beschreibt die sogenannten IKEAerisierung der Welt und stellt die Behauptung auf, dass Möbel heute ausschließlich für den Sperrmüll gekauft werden. In unserer westlichen Gesellschaft werden alle zehn Jahre 150% Wachstum auf dem Möbelmarkt generiert.
Sieben Millionen Tonnen Möbel werden in Deutschland nach Schätzungen des Instituts für Umweltforschung (INFU) der Uni Dortmund jährlich aussortiert. „Als Sperrmüll landen rund 95 Prozent in Müllverbrennungsanlagen oder auf der Deponie“, weiß Dr. Werner Baumann vom INFU. Nur fünf Prozent der veralteten Einrichtung würden weiterverwendet.
Spätestens hier stellt sich dem aufmerksamen Verbraucher die Frage, ob alle Altmöbel aufgrund ihrer schlechten Qualität nicht mehr für ein zweites Leben zu gebrauchen sind oder wertvolle Ressourcen direkt und ohne Umwege in den Möbelhimmel verfrachtet werden. Ein Blick auf die deutsche Möbelindustrie und dem deutschen Verbrauchermarkt könnte sehr hilfreich sein.
Quellen: Buch Selbst denken: Eine Anleitung zum Widerstand 7. März 2013
Wohnweltmeister und Möbelindustrie
Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 390 € pro Jahr liegen die deutschen Möbelliebhaber weltweit auf Platz 1, gefolgt von unseren österreichischen Nachbarn mit 360 €. Wohnaccessoires sind hierbei nicht berücksichtigt und belaufen sich auf etwa 150 € zusätzlich bei den heimischen Verbrauchern. Für die Möbelindustrie ist der deutsche Möbelmarkt daher ein attraktiver und umkämpfter Markt. Der Wettbewerb ist stark, die Märkte (Beschaffung und Absatz) global.
Die Hersteller müssen sich innerhalb der Märkte behaupten und versuchen, sich mit globalen Strategien Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Jeder Vorteil zählt und könnte sich positiv auf Kaufentscheidungen auswirken. Schauen wir uns den deutschen Möbelmarkt genauer an, erkennen wir, dass etwa 50 Prozent der hierzulande verkauften Möbeln nicht aus heimischer Produktion stammen und importiert wurden. Die größten Hersteller sind mit 25 % die Volksrepublik China gefolgt von den USA mit 15%. Erst auf Platz 4 steht Deutschland (7%) direkt hinter Italien (8%). „7% Anteil vom weltweiten Markt ist eine beachtliche Portion“, betont der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie Dirk-Uwe Klaas. Um diesen Marktanteil zu behalten und auszubauen, müssen sich die deutschen Möbelhersteller mit innovativen Strategien zu Design, Materialien, Qualitätsanforderungen und Trends auf den globalen Märkten behaupten.
Quellen: Press1: http://www.press1.de/wrapper.cgi/www.press1.de/files/kmeigen_kmpresse_1379599162.pdf Welt: http://www.welt.de/wirtschaft/article123681666/Niemand-gibt-mehr-Geld-fuer-Moebel-aus-als-Deutsche.html
Recycling als notwendiger Trend
Einer der Strategien, die unsere heimische Möbelindustrie in Ansätzen erkannt und, leider, immer noch unzureichend umgesetzt hat, ist die Wiederverwendung von Stoffen und Materialien. Dies betrifft im Übrigen auch auf andere Branchen zu. In der globalen marktwirtschaftlichen Umgebung, in der die Art der Ressourcen und deren Verbrauch überwiegend über Angebot und Nachfrage reguliert werden, hat die zunehmende Ressourcenknappheit dazu geführt, das Erzeuger und Verbraucher den nachhaltigen Konzepten wie beispielsweise Recycling, Ökoeffektivität oder Upcycling theroretisch nicht mehr ausweichen können. Dennoch sind die tatsächlichen Bemühungen der großen Möbelhersteller und Händler zur Umsetzung nachhaltiger Konzepte eher als minimal und bestenfalls als halbherzig einzustufen.
Dabei könnten die großen Möbelplayer, sei es in der Industrie oder Handel, mit den nachhaltigen und konsequenten umgesetzten Strategien Ökotrends setzen. Den Verbrauchern die Vorteile, Möglichkeiten und Chancen aufzeigen, die solche Strategien bieten und ihn quasi ganz bewusst in die ökologische Verantwortung mitnehmen könnte sich durchaus als lohnende Investition in die Zukunft erweisen. Denn letztendlich entscheidet der Verbraucher mit seinem Konsumverhalten, welche Produkte produziert werden. Die Art der Produkte entscheidet die Bedingungen, Ressourcen und letztendlich Konsequenzen (ökologisch, wirtschaftlich, sozial), unter denen Konsumgüter hergestellt und angeboten werden. Bei den überwiegenden Käufermärkten hat der Verbraucher somit eine ungeheure Macht und könnte den Markt und die Bedingungen positiv beeinflussen, sofern die richtigen Signale gesendet und empfangen werden.
Der Grund, warum wir Dinge retten
Die Stoffe und Materialien, die in der Vergangenheit entstanden sind und immer noch inflationär genutzt werden, stehen uns in naher Zukunft nicht mehr zur Verfügung. Bereits jetzt „leiden“ viele Ressourcen an drohender Knappheit und müssen durch nachhaltige Alternativen fast zwangsläufig ersetzt werden. Die stetig wachsende Sensibilisieren der Verbraucher in Bezug auf Wertschöpfungsketten, Herstellungsverfahren und soziale Hintergründe setzten Denkanstöße und neue Ideen in Gang, die von einigen wenigen Pionieren bereits aufgegriffen und umgesetzt werden. Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist das Unternehmen Retrouvius und deren Gründer, Adam Hill, der folgende Sätze geprägt hat:
Der Grund, warum wir Dinge retten, wird aktuell bleiben, denn wir müssen über unsere Ressourcen und Materialien immer mehr nachdenken. Das wird uns noch in den kommenden 100 Jahren beschäftigen.
Quellen: Frankfurter Allgemeine: http://www.faz.net/aktuell/stil/drinnen-draussen/upcycling-adam-hills-schenkt-alten-moebeln-neues-leben-13720344-p2.html
Wir retten Stühle
Und das ist gut so. Wir sprechen von circa 7 Millionen Tonnen Möbel, die jährlich aussortiert werden. Davon werden 95% verbrannt oder entsorgt. Lediglich 5% der alten Möbel werden weiter verwendet. Viele der Möbel bergen ein Riesenpotential und haben eine gute Grundsubstanz. Insbesondere alte und geschichtsträchtige Möbel aus Holz sind es wert, als potentielle Kunstwerke entdeckt und reaktiviert zu werden.
Genau hier setzen wir mit unserem Projekt Vintage – vom Stuhl aufwärts an. Wir nutzen das vorhandene und wertvolle Potential alter Stühle, um sie als Kunstwerke auferstehen zu lassen. Gezielt suchen wir geeignete Holzstühle, arbeiten sie mit handwerklichem Geschick auf und gestalten diese in einem neuen Design zu einzigartigen Kunstwerken. Wir schenken ihnen ein zweites und aufregendes neues Leben. Für unsere liebevoll gestalteten Schätze suchen wir Menschen, die wertvolle Möbel, gute Handarbeit und nachhaltige Materialien ebenso lieben wie wir.
Entscheidend ist, dass wir zeigen, wie wertvoll alte Holzstühle eigentlich sind. Wir möchten Menschen das Angebot machen darüber nachzudenken, dass es eine wunderbare Alternative zum blindem Wegwerfkonsum gibt. Wir glauben, dass viele Holzstühle es wert sind, Hingabe, Zeit und nachhaltige Materialien zu investieren. Das ist unsere Leidenschaft und wir möchten diese gerne mit Euch teilen.
In einer der nächsten Beiträge werden wir die Geschichte der Möbel aufgreifen und einige spannende Vertreter des verantwortungsvollen Designs vorstellen. Seit gespannt, wir sind es auch.
Stühle aus Holz sind unsere große Leidenschaft. Jeder Stuhl hat seine eigene Geschichte. Sie ist es wert, erhalten und weitererzählt zu werden. Wir glauben an den Werterhalt und die nachhaltige Nutzung von Bestehendem. Mit unserer Leidenschaft möchten wir Menschen ermutigen und begeistern, sich kreativ und handwerklich zu verwirklichen.
Vintage – vom Stuhl aufwärts
Tuschel & Fiedler
Florastraße 36
13187 Berlin
www.vintage-vom-stuhl-aufwaerts.de
info@vintage-vom-stuhl-aufwaerts.de